Das helle Licht der Freude wird langsam von den dunkelen Wolken des Schattens verdrängt. Eine Dunkelheit breitet sich aus und bringt neue Herausforderungen. Was soll man tun? Sich dem Wandel der Zeiten widersetzen? Den inneren Heilungsprozess verdrängen?
Was hier so mystisch klingt, sind meine Erfahrungen der letzten Tage. Ich habe ja schon im letzten Eintrag ausführlich meine neuen Erkenntnisse geschildert. Ich hatte das große Erkennen, dass ich meine ganzen Schattenteile immer im Keller meines Bewusstseins gehalten habe. Ich wollte sie nicht rauslassen und habe alles dafür getan, dass ich vom Dachgeschoß aus mein Leben auf eine bessere Bahn bringe.
Der Weg der Selbsterkenntnis kann ein trügerischer sein. Bis vor ein paar Tagen war ich mir dieses Vorganges nicht bewusst. Ich dachte, ich tue das beste was ich kann, um ganz und heil zu werden.
Der Schattenwächter
Ich habe auch meinen Schattenwächter kennengelernt. Ich habe ihn so liebevoll genannt, weil er auf der Grenze zwischen Licht und Schatten wandert. Seine Aufgabe ist es, das Bewusstsein davon abzuhalten, zu tief in den Schatten zu gehen und dort etwas mit ans Licht zu bringen. Ich sehe ihn als einen Teil des Egos, der uns vor uns selbst beschützen will. Da er aber nur eine begrenzte Sicht auf die Dinge hat, kann er nicht sehen, dass er mir jetzt nicht mehr damit nützt, sondern mich davon abhält, weiter zu wachsen.
Wie das Ego auch, sichert uns der Wächter das Überleben. Als Kinder sind wir größtenteils hilflos und haben zu wenig Erfahrung gemacht. Wenn wir nicht diese Mechanismen in uns hätten, die uns vor Ablehnung, Schmerz und Trauer bewahren und diese Verdrängen, könnten wir hier nicht überleben. Der gleiche Mechanismus hat uns aber immer noch in seinem Griff und beeinflusst das Leben, auch wenn wir schon selbst entscheiden und leben können.
Durch diese alten Mechanismen, die durch unsere Glaubenssätze, unser Ego und damit unseres Schattenwächters arbeiten, sind der Grund warum wir Schwierigkeiten haben, uns mit den alten Verletzungen und den abgestoßenen Teilen in unserem Schatten auseinander zu setzten. Es ist ein Überlebungsmechanismus und hat schon jahrzehntelange Übung im Umgang damit, er wächst mit uns mit uns lernt was wir lernen.
Ein Versprechen und eine große Erkenntnis
Ich habe mir und all meinen Schattenteilen das Versprechen geben, für sie da zu sein, ihnen Raum für ihre Bedürfnisse zu geben und ihnen die Aufmerksamkeit und Zuwendung zu geben, nach der sie sich alle sehnen. Mir war klar, dass dies kein einfaches Versprechen ist und große Dinge auslösen wird und an die Oberfläche bringt. Seit dem letzten Blogeintrag habe ich viele Bekanntschaften mit diesen Teilen gemacht.
Eine große Erkenntnis war zu sehen, warum ich einen schwachen Selbstwert entwickelt habe und mir immer komisch und am falschen Platz vorkam. Als ich etwa drei Jahre alt war, erzählte mir meine Mutter, das die Krankenkasse bis, ich glaube 4 oder 5 Jahre, die Kosten für eine Operation übernehmen würde, um abstehende Ohren anzulegen und fragte mich ob ich das möchte. Ich wollte es nicht und sah erst jetzt was dies in mir ausgelöst hat. Ich habe mir gedacht
„Was ist nur los mit mir? Warum bin ich so unnormal? Warum kann ich nicht sein wie alle anderen auch?“
Es hat sich schon früh der Glaubenssatz gebildet „Ich bin nicht normal, etwas stimmt nicht mit mir„, doch das war erst der Anfang. Mit fünf bekam ich eine lose Zahnspange, weil ich Probleme mit der Wirbelsäule hatte. Ich konnte die Erinnerung wieder hervorrufen, wie mir ein Abdruck von den Zähnen gemacht wurde. Wer so was schon mal erlebt hat, weiß, dass das sehr unangenehm ist. Eine eklige Gummimasse wird auf ein hartes Metallstück geschmiert und von unten gegen die Zähne gepresst. Das ganze muss dann mindestens eine Minute still drin bleiben, um einen richtigen Abdruck herzustellen. Sie brauchten bei mir mindestens drei Versuche, weil ich das Gefühl hat zu ersticken und nicht mehr atmen zu können, ich bekam richtig Panik. Ich konnte nicht still halten, also musste das ganze nochmal gemacht werden und nochmal, bis ich endlich genug Luft durch die Nase einatmen konnte.
Was war die Lektion daraus für mich?
„Ich muss leiden und große Panik aushalten um irgendwann normal zu sein„.
Dann kam mit sechs Jahren die Brille, was ein weitere Schritt in Richtung Aussenseiter war. Als Kind was spielen und toben will, gibt es fast nichts schlimmeres als ständig aufpassen zu müssen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon sehr zurück gezogen und hatte große Probleme mich und er Schule zu integrieren und Freunde zu finden. Ich dachte immer, die anderen fällt alles so leicht und sie haben soviel Spass, warum muss ich nur so kaputt sein?
Doch das war es immer noch nicht. Mit ungefähr zehn oder elf Jahren bekam ich dann eine Feste Zahnspange und das war wirklich heftig. Die großen Schmerzen und die Unfähigkeit wirklich zu essen, waren am Anfang noch das geringe Übel. Ich hatte jetzt metallisch auf weiß den Beweis und die Tägliche Erinnerung daran, nicht normal zu sein und nur mit großen Schmerzen als normaler Mensch durchgehen zu können. Hinzu kamen noch andere körperliche Beschwerden auf die ich später auf jeden Fall noch eingehen werde. All das hat dafür gesorgt, dass ich fast keine Selbstwert hatte und mich und meinen Körper gehasst habe.
Der Grund für mangelnden Selbstwert
Rückblickend hatte ich fast kaum noch Erinnerungen an die Zeit zwischen 6 und 13 Jahren. Es war eine schlimme Zeit für mich und es gab selten Tage an denen es mir vollkommen gut und unbeschwert ging. Zu erkennen, dass diese ganzen Teile immer noch in mir sind und leiden, hat mir die Augen geöffnet. Ich verstand, warum ich auch jetzt noch ein schlechtes Selbstbild habe und mich hässlich fühle. Ich habe diese Teile, diese inneren Kinder von mir verdrängt und weggeschoben, ich wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben.
Sie sind der Grund warum, ich jetzt noch so fühle. Sie rufen nach Aufmerksamkeit, sie wollen gehört werden, sie wollen im Arm gehalten werden und das Gefühl haben, dass sie so in Ordnung sind und alles richtig mit ihnen ist. Sie zu spüren und mit ihnen Kontakt aufzubauen hat mir eine große Last vom Herzen genommen. Ich konnte, mir ganz rational erklären, warum diese Gedanken Quatsch sind und dass ich doch gut aussehen, doch diese Teile in mir, fühlten das genaue Gegenteil. Seit ich sie in den Arm genommen habe, spüre ich dass es ihnen und mir besser geht und eine Erleichterung eingekehrt ist. Es war ein großer Schritt Richtung Heilung und Integration der verdrängten Teile.
Noch mehr Tränen
Doch gestern kam schon wieder eine neue Welle der Dunkelheit an die Oberfläche. Ich spürte eine große Traurigkeit in mir, als ich mit meiner Freundin telefoniert habe. Ich spürte das unser Gespräch etwas in mir auslöste. Ein Gefühl des Verlassen-seins, nicht beachtet zu werden. Dieser Teil war mir teilweise schon bekannt. Ich konnte irgendwann nicht mehr. Es fühlte sich total scheiße an und ich war sehr unglücklich und traurig. Doch ich hatte die Stimme in mir, die mich beruhigt hat, die mir gesagt hat, das es in Ordnung so ist, das diese Gefühle hochkommen müssen und sich ausbreiten müssen.
Als wir aufgelegt hatte, holte ich mir gleich meine Decke, machte das Licht aus und schloss Türen und Fenster. Ich spürte, dass die Traurigkeit rausmusste. Ich kuschelte mich ein und verbarg mein Gesicht in der Decke und fast augenblicklich schoßen die Tränen aus meinen Augen und ich schluchzte und heulte. Zwischendurch wurde es weniger, doch ich spürte, da ist noch mehr, fast wie wenn man sich übergeben muss. Man spürt wenn alles draussen ist und dann geht es einem meist viel besser und man ist sehr erleichtert. Also erlaubte ich mir weiter zu weinen und alles rauszulassen, was lange unterdrückt war.
Danach ging es mir wirklich viel, viel besser. Ich war so leicht um mein Herz, als hätte sich ein Griff und eine Enge darum gelöst. Ich war dankbar dafür, diesen Weg gegangen zu sein und nicht wieder von diesen negativen Gefühlen wegzulaufen und mich abzulenken und zu berieseln.
Innerhalb einer Woche kam soviel hoch, habe ich soviel erkannt und neu entdeckt. Gerade ist für mich eine intensive Heilungsphase. Ich spüre es tief in mir. Das Leben ist mit Höhen und Tiefen, Gipfeln und Tälern. Ich weiß jetzt das es OK ist sich schelcht zu fühlen und es gesund ist diese angestauten Dinge rauszulassen und ihnen Raum zum atmen zu geben. Ich spüre noch andere Teile in mir die das gleiche wollen und ich weiß dass es ein intensiver und längerfristiger Prozess ist. Doch ich freue mich sehr darauf mich selbst besser kennenzulernen und wieder alles in Besitz zu nehmen, was ich vor langer Zeit versteckt habe. Ich weiß jetzt, dass dort ganz viel Gutes und Schönes mit versteckt wurde.
Geteiltes Leid ist halbes Leid
Mir ist es wichtig diese Seiten und Erlebnisse zu teilen. Dafür ist dieser Blog da. Niemand ist Perfekt. Wir alle haben Schwächen und Schattenseiten, egal wer. Als Gesellschaft haben wir kollektiv uns dazu entschieden, diese negativen Schattenteile als ungewollt zu bezeichnen und nur die positive Lichtseite hervorzuheben. Das schafft viele der unzähligen Probleme mit denen wir uns gerade als Menschheit befassen.
Wir müssen wieder Zugang zu unseren Emotionen schaffen, unsere dunkelen Aspekte unseres Wesens akzeptieren. Wenn wir uns gegenseitig dazu Erlaubnis geben, können wir unsere Leben und damit die Welt verändern. Ich will meine Schattenseite teilen und für alle öffnen, damit andere dies auch tun können. Es ist nichts wofür wir uns schämen müssen und es wird letztendlich dazu beitragen, diese Welt aus der Dunkelheit zu befreien und sie in das helle Licht unseres Bewusstseins zu tauchen.
Ich liebe euch alle,
euer Tim
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