Ich erinnere mich noch genau an den Moment wo ich diesen Satz zum ersten mal gehört habe:
„Das Ego ist die Maske, die das Innere Kind trägt“
Dieser Satz fiel in einem Video von Matt Kahn und hatte mich seit dem nicht mehr losgelassen. Ich verstand sofort die Wahrheit dahinter, doch konnte meinen Finger noch nicht ganz auf den Kern der Sache legen. Mir fehlte es noch an Verständnis, um die vollen Ausmaße dieses doch sehr simplen Konzepts zu begreifen.
Das hat sich dann gestern geändert.
Wie fast jeden Tag habe ich morgens geschrieben und dabei kam das Thema Selbstkritik auf. Ich hatte gemerkt, dass ich mich in den Tagen davor viel mit anderen verglichen habe und mich dabei selbst fertig gemacht habe. Ich habe dann geschaut, was unter diesen Wertungen liegt.
Da ist ein Teil in mir, der sich klein, unbedeutend, wertlos und alleine fühlt. Das so direkt zu spüren hat einen Prozess Emotionaler Integration angestoßen, wo ich diesem Teil Zuwendung, Anerkennung und Liebe geben konnte. Was ein sehr aufwühlender Prozess war, hat gleichzeitig die Erkenntnis über den eingangs erwähnten Satz mit an die Oberfläche meines Bewusstseins gespült.
Die Ur-Verletzung in der Kindheit
Als Kind sind wir der Welt offen zugewandt und nehmen alles ohne Wertungen und Urteile in uns auf. Wenn wir dann Kritik, Beschämungen, Verletzungen oder sogar traumatische Dinge erleben, passieren zwei Dinge.
Zum einen wird dieser Teil in uns abgespalten. Das Kind kann nicht mit diesem Schmerz und der Verletzung umgehen, vor allem wenn sie (bewusst oder unbewusst) von den uns am nahestehenden Personen kommt. Also wird das „verletzte Kind“ ins Unterbewusstsein verdrängt, wo es nicht mehr direkt wahrgenommen wird. Dieser Teil ist jedoch weiter in uns und sucht nach Erlösung, nach Liebe und positiver Zuwendung. Genau dem, was im Moment der Abspaltung gefehlt hat.
Als zweites entsteht mit der Zusammenarbeit des Egos ein Selbstschutzmechanismus. Wenn man als Kind klein gemacht wurde, durch die Eltern/Mitschüler/Lehrer etc. wird dieses Urteil verinnerlicht. Internalisiert.
Dies ist die Geburt von Selbstkritik bzw. dem Inneren Kritiker.
Selbstkritik und der Innere Kritiker
Um der schmerzhaften und verletzenden Situation nicht noch einmal zu begegnen, setzten wir uns von vorne herein diesen Urteilen aus dem inneren heraus aus. Nach dem Motto
„Ich mache mich lieber selber fertig und klein, als dass es von anderen Personen im außen kommt“
Die Ur-Vereltzung war so groß und hat zu einer inneren Spaltung geführt, dass die Funktion dieser Selbstkritik uns jetzt davor beschützen will, wieder in diese Situation zu kommen. In der Annahme dass eine Beleidigung/Beschämung von inneren heraus längst nicht so schlimm ist, wie von außen, findet das als negativ erlebte immer wieder in unserem Kopf statt.
So wird erreicht, dass wenn eine solche Situation noch einmal in unser Leben treten sollte, wir „vorbereitet“ sind, weil wir die Urteile und Beschämungen dieser Ur-Verletzung in uns aufgenommen haben und immer wiederholt haben.
Das (schlechter-als) Ego und der feinfühlige Mensch
Im Ego werden diese Dinge Teil des Selbstbildes. Entweder haben wir ein Ego, welches sich „besser-als“ fühlt, oder ein Ego dass die Sichtweise von „schlechter-als“ hat. Ich glaube dass die meisten, die sich zu solchen Texten hingezogen fühlen, hauptsächlich in die letztere Kategorie fallen.
Viele feinfühlige, Energieempfindlichen Wesen, adaptieren das Ego, dass sich immer schlechter als andere sieht. Dies sind dann aber auch die Menschen, und ich zähle mich dazu, die nach Wegen aus dieser „Opferrolle“ suchen, die nach Heilungsmöglichkeiten suchen und die vielleicht als erstes neue Bewusstseinsebenen erfahren.
Wenn wir also viele Beleidigung, Urteile, Beschämungen und emotionale Verletzungen als Kind erlebt haben, werden diese Wertungen verinnerlicht und Teil des Selbstbildes des Egos, es wird Teil unserer gefühlten Identität. Mit dem Inneren Kritiker zusammen, wird dieses Bild durch konstante, innere Wiederholungen der vergangen Verletzungen aufrecht erhalten und findet in neuen Situation durch diese Linse der Wahrnehmung schauend, immer wieder Bestätigung seiner Unfähig- und Wertlosigkeit.
Das innere Kind
Der Schlüssel, um diesen Mechanismus aufzulösen und ein neues Selbstbild voller Selbstsicherheit, Selbstvertrauen und Selbstliebe zu erleben, ist das innere Kind zu entdecken und zu lieben, was unter diesen Urteilen und innerer Kritik liegt.
Wenn wir der Kausalitätskette zurück folgen, steht am Anfang dieser inneren Mechanismen ein verletztes Kind, was überfordert ist. Überfordert mit der Härte dieser Welt, mit der Grausamkeit emotionaler Verletzungen und der Erschütterung über Worte, die tief in die Seele schneiden.
Dieses Kind, was keinerlei Schuld an diesen Ereignissen hat, ist so überfordert, allein gelassen und verzweifelt, dass es dicht macht, verdrängt und so hofft, diesen Schock zu überleben.
Es fehlt ein unterstützendes Wort, eine liebevolle Umarmung, das Gefühl dass alles gut wird, dass man beschützt ist, dass man keine Schuld an dieser schlimmen Erfahrung hat, dass man nicht die Ursache und der Grund dafür ist. All dass ist es was wir uns (diesem Kind in uns) jetzt geben sollten.
Liebe, die die Vergangenheit heilt
Wir können die Vergangenheit und das was uns passiert ist, nicht ändern. Wenn jedoch ein Teil von uns durch ein emotional erschütterndes/traumatisches Erlebnis abgespalten wird, bleibt dieser Teil in dieser Zeit zurück und bleibt es, versteckt im Schatten unseres Unterbewusstseins, bis wir ihn in uns wieder entdecken und ihn erlösen.
In dem er gesehen, ernst genommen, beschützt und gehalten wird. In dem er Teil des Bewusstseins wird, Teil der Inneren Familie.
HSP und emotionale Wunden
Wie oben schon kurz erwähnt, gibt es Menschen, die tiefer fühlen, die Energien und Emotionen von anderen spüren und sind deswegen in der Kindheit oft (vielleicht tieferen) emotionalen Verletzungen ausgesetzt. Man spürt als Hochsensible Person Dinge in anderen, die sie vielleicht sogar selbst nicht bewusst wahrnehmen.
Wenn man als Kleinkind diese Diskrepanz zwischen gefühlten Emotionen und gelebter Handlung bei seinen Eltern erlebt, entsteht Verwirrung und es werden die ungelösten emotionalen Konflikte der Eltern wiederum internalisiert, da die Grenze zwischen dem Kind und den Eltern nicht wirklich existiert.
Nebenbei können Beschämungen und verletzende Kritik noch tiefer treffen und eine heftigere, innere Reaktion herbeiführen.
Selbstkritik die zur Selbstliebe wird
Ich hoffe ihr konntet meinem Erkenntnisprozess folgen und ähnliche erhellende Momente mitnehmen, wie ich sie auch erlebt habe. Erkennen zu können, dass die innere kritische Stimme im Kopf fast immer nur ein oberflächlicher Selbstschutz ist, dem zugrunde ein verletztes, trauriges und alleingelassenes Kind liegt.
Wenn wir das mit vollem Bewusstsein erkennen, löst sich zum einen eine starke Identifikation mit diesen kritischen Stimmen und ihren Urteilen über uns, zum anderen haben wir nun ein neues Portal in die Vergangenheit gefunden, dass uns dabei hilft, abgestoßene Anteilen zu begegnen und sie liebevoll in die Innere Familie mit aufnehmen zu können.
8 Comments
Ich dachte immer, dass der Stressabbau ein Thema für sich wäre. Aber früher oder später kommt man dann auch auf das innere Kind und ich halte die Arbeit mit diesem für unverzichtbar.
Hallo zusammen,
für mich habe ich erkannt, im hier und JETZT zu leben heißt, bei sich zu sein.
Letztendlich habe ich das Gefühl das es Achtsamkeit ist.
Mein inneres Kind hat einen Teil seiner Angst verloren und es ergibt sich eher ein Hand in Hand, aber nicht immer. Ich glaube das hängt davon ab, wie achtsam ich bin.
Und ja das „Leiden“, verursacht durch das innere Kind, ist ein Prozess der Befreiung.
Geholfen hat mir sehr das Buch von Reinhard Sprenger “ Die Entscheidung liegt bei dir.“.
Es ist ein Buch was befreit, wenn man es Lebt. Es ist letztendlich für mich eine ein Stück Anleitung fürs Leben, eine Einstellung, eine Entscheidung.
In dem Sinne euer Rob.
Alles ist wie es ist. Und es ist gut so.
Lieber Tim,
Ich lese gerade das Datum von diesem Video und stelle Fest das es schon eine reichliche Entwicklungszeit hinter sich hat.
Also ich wünsche Dir und uns alles gute, wo immer Du oder wir auch stehen.
Herzliche Grüße Dieter
Hallo Tim, ich Stimme dem zu wenn Du vom Ego sprichst. Das wir uns nicht davon lösen müssen sondern wahrnehmen Lernen. Denn wenn wir uns von was trennen wollen sind wir ja im nächsten Kampf. Ich bin nicht sicher, obwohl ich schon einige Bücher von ihm gelesen habe, das er das so meint. Zumindest ist es bei mir so angekommen. Ich muss dazu sagen, das der Weg, den gehe ich oder viel mehr gegangen bin, nicht mit E.Tolle anfing.
Daher kann ich ein Stück verstehen das man das mit dem Ego so versehen könnte.
Ich bin davon überzeugt das jeder der das dann liest, an einem Punkt steht weil er es so in sein Leben gerufen hat. Frage an Dich glaubst Du denn, das es mehr Leid für die Menschen schafft,wenn sie sich mit E.Tolle und anderen auseinander setzen? Liebe Grüße Dieter
Hallo Tim,
ich habe mir soeben den Beitrag „Problem“ mit Eckehardt Tolle bei YouTube angehört. Ich kann deine Meinung dazu nicht teilen. E.T. hat aus meiner Sicht das Ego nicht als Feind erklärt, er erklärt nur dessen Wirkung. Ich denke jedoch wenn es uns gelingt im Augenblick zu leben dann hat das Ego keine Chance mehr. Dann ist auch die Vergangenheit aufgelöst. Im JETZT gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft. Ich will damit sagen, dass wir immer nur in „dem Schritt“ den wir gerade tun präsent sein sollten. Der nächste Schritt ist bereits Zukunft. Trotzdem gibt es natürlich ein Ziel. Ich muss noch dazu sagen das ich deine Meinung voll und ganz akzeptiere, jeder darf seine eigene Meinung haben und ich finde es sehr interessant wie unterschiedlich jeder „den gleichen Inhalt“ interpretiert. Nichts desto Trotz wünsche ich dir auf deinem weiteren spirituellen Weg nur das Beste. Zum Schluss noch: Ich habe es bis heute nicht geschafft im JETZT zu verweilen, aber was nicht ist kann ja noch werden. In diesem Sinne ganz herzliche Grüße aus Dresden von Barbara Schneider.
Hallo Tim!
Bin von den Socken……Du bist ein INDIGO….ich bin seit meiner Kindheit (jetzt 62 Jahre jung)
auf der Suche nach der Wahrheit!!! Bin immer noch nicht angekommen, mache dauernd neue Erfahrungen. Das ist gut so. Mach weiter so, damit kannst Du sehr vielen Menschen helfen.
Alles Liebe
Elisabeth
Hallo Tim,
ich habe diese Seite auch zufällig gefunden und neben großen Worten ist eines vielleicht am deutlichsten: Ich habe noch nie etwas kommentiert, egal ob ich es toll fand oder es mich weiter gebracht hat – das Bedürfnis danach war nie da, bis jetzt.
Vielen Dank für deine Worte, Bilder und deine Offenheit. Das hat meine eigene Welt ein Stück bewegt 🙂
Bin durch Zufall auf deine Seite gestoßen und bin grad etwas erstaunt über deine unfassbare klare Sicht der „Dinge“. Dinge klingt hier seltsam, aber ich denke du weißt was ich meine.
Ist wirklich spannend was du da schreibst…ich hab das erfahren, bzw gelernt, und jz lese ich das, und ich fühl mich eins damit..
Etwas irgendwi in mir zu fühlen und wahrzunehmen, und dann einen text zu lesen der sich mit dem fühlen verbindet, ist schon was besonderes.
Ich danke dir für dein bemühen, werde deine seite nun öfter besuchen. 🙂
Alles Liebste für dich.
Marion