Das Thema „Inneres Kind“ ist ebenso wie das Ego sehr komplex und lässt sich am besten durch eigene Erfahrungen und Erlebnisse begreifen und verstehen. Im Folgenden will ich beschreiben, was das Innere Kind ist, wie es entsteht und wie wir mit diesem Anteil in uns in Kontakt kommen können und damit alte Wunden und begrenzte Verhaltens- und Denkmuster aufzulösen.
Wie beim Ego schon beschrieben, kommen wir als vollkommenes Wesen in dieses Leben. Unsere, vor allem frühkindlichen Erfahrungen bestimmen dann ganz grundlegend wie wir uns in unserem Selbstbild und auf „gesunde“ Art und Weise entwickeln.
Das Innere Kind kann dabei mehrere Facetten dieses Heranwachsens beschreiben. Vereinfacht können wir diese mit dem „geliebten“ und „ungeliebten“ Kind beschreiben.
Das „geliebte Kind“ ist in vollkommenen Einklang mit seinen Wünschen, Interessen und Bedürfnissen. Es kann sich frei entwickeln, mit einem sicheren Bezugsrahmen der Eltern, mit positiven Bestärkungen, Liebe und einer guten Einstimmung in die Bedürfnisse des Kindes. Es lernt auf gesunde Art seine Grenzen kennen, seine Interessen, Stärken und seinen unerschütterlichen Sinn von Wert. Alleine dadurch, dass es existiert.
Das „ungeliebte Kind“ hat andere Erfahrungen gemacht. Seine Bedürfnisse nach Nähe, Regulation, Sicherheit, Stabilität und viel wärmender Liebe wurden nicht immer wahrgenommen und erfüllt und dadurch entsteht im Kind der Eindruck, dass es nicht liebenswert ist und die Zuneigung der Umwelt nicht verdient. Es entsteht ein tiefes Gefühl von Wertlosigkeit. Dies kann durch offensichtliche Probleme wie Missbrauch entstehen, aber auch durch den viel schwer zu durchschauenden Vorgang der Vernachlässigung. Dieser muss nicht einmal bewusst passiert sein. Früher dachten Eltern, es sei „gesund“ wenn das Kind lernt, sich durch schreien selbst zu regulieren. Vielleicht gab es auch viele Geschwister die die Zuneigung und Liebe der Eltern zu einem wertvollen und seltenen Gut gemacht haben.
Diese vereinfachte Darstellung der Kindheit soll die beiden Extreme darstellen. Wir alle haben höchstwahrscheinlich beides erlebt und haben eine ganz individuelle Zusammensetzung aus diesen beiden Seiten, die unser Selbstbild und die Entwicklung des inneren Kindes maßgeblich bestimmt haben.
Wo das Ego versucht hat, mit diesen schwierigen Situationen in der Kindheit umzugehen, in dem diese Erlebnisse, Gefühle und Bedürfnisse abgespalten wurden, kann man das „ungeliebte Kind“ als das zurückbleibende, abgespaltene Gefühl oder unerfülltes Bedürfnis in sich erleben. Das Innere Kind ist damit eine wertvolle Ressource für uns, mit diesen verdrängten Anteilen in uns wieder in Kontakt zukommen. Das löst auf, was früher nicht aufgelöst werden konnte. Bietet Zuwendung, körperliche Nähe und Liebe wo es früher keine gab. Damit wird ganz gemacht, was früh geteilt wurde und heilt damit rückwirkend die Vergangenheit.
Das „innere Kind“ lebt in uns als Erwachsende weiter. Manchmal bewusst, meistens jedoch aus dem Untergrund des Unterbewusstseins. So oder so hat es Auswirkungen auf unser Leben, die uns bis wir eine wirkliche Beziehung und Verständnis von diesem inneren Meachanismus haben, oft einfach nur automatisch aus angelernten Mustern reagieren lässt. Dies wirkt sich vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen aus, aber vor allem auch auf das Selbstbild und das Gefühl von Zufriedenheit und Harmonie. Das, was abgespalten wurde, will wieder zurück an das Licht unserer bewussten Annahme.
Man kann mit dem Inneren Kind in Kontakt kommen, einen Zugang und Kommunikationsbasis zu diesem wichtigen Teil in sich finden und damit die Kraft des „inneren, liebevollen Erwachsenen“ erwecken, der rückwirkend für das Kind das bietet, wonach es sich früher so sehr gesehnt hat. Dieser Prozess bringt einen wieder in Kontakt mit schmerzvollen Gefühlen, verdrängten Erinnerung und damit auch einem erweiterten, wenn auch nicht immer leicht zu akzeptierenden, Realität, dass unser Leben (unsere Kindheit) doch nicht ganz so wahr, wie wir uns das vielleicht immer vorgestellt haben.
Deswegen ist es wichtig für diesen Prozess Begleitung zu haben, ein stabiles Sozialnetz und genug innerliche Ressourcen, um mit diesen Erfahrungen umzugehen. Gerade wenn aus Sicht des Entwicklungstraumas viel „schief“ gelaufen ist, kann dieser Prozess für viele zu überwältigend und herausfordernd sein. Für andere lässt sich dieser Prozess auch gut alleine bewerkstelligen. Es „muss“ niemand durch qualvolle Erlebnisse gehen, in der Hoffnung, damit seine Lebensqualität zu verbessern. Viel mehr geht es darum ein besseres Verständnis von sich, seiner Geschichte und den aktuellen Vorgängen im Körper, Gedanken und Gefühlswelt zu erreichen. Das ist die Basis für Heilung, Selbstliebe und wahre Veränderung.
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