Durch Bücher wie „Ein Kurs im Wundern“ oder „Jetzt – Die Kraft der Gegenwart“ wurde das Wort „Ego“ mit seiner heutigen Bedeutung Millionen von Menschen zugänglich. Und auch umgangssprachlich spricht man schon länger von Leuten mit „großem Ego“ um einen selbstverliebten, narzisstischen Menschen zu charakterisieren.
Wenn wir uns auf dem Weg der Selbsterkenntnis mit der Frage auseinandersetzen, wer wir wirklich sind, werden wir uns früher oder später mit dem Ego auseinandersetzten müssen.
Erst als ich das Leben außerhalb der Wahrnehmung durch das Ego erlebt habe, habe ich verstanden, wer ich wirklich bin und das ich mein Leben lang durch die verschwommene und begrenzte Wahrnehmung des Egos auf mich und die Welt geblickt habe. Genau das macht es auch so schwierig über das Ego zu reden und es in all seiner Komplexität abzubilden. Erst wenn man das Leben außerhalb des Egos erlebt hat, kann man das Ego wahrhaftig in sich erkennen.
Einfach ausgedrückt könnte man sagen, dass wir alle uns und die Welt durch die Augen des Egos sehen. Mit anderen Worten ist der, der wir glauben zu sein, in Wahrheit nur ein Ausschnitt unserer wahren Natur. Das Ego liest das und wird sofort mit diesem Punkt argumentieren und das ist genau die Natur des Egos. Es ist ein in sich geschlossenes System mit einer einfachen Mission. Doch bevor wir dazu kommen, will ich zum besseren Verständnis kurz den Ursprung des Egos beschreiben.
Wir kommen als ganzes, heiles, mit dem Leben verbundene Wesen auf die Welt. Früher oder später erleben wir Erfahrungen von Leid, Kummer und Schmerz (siehe auch Entwicklungstrauma), von Regeln, Bestrafungen und Erwartungen, die an uns gestellt werden. All diese Erlebnisse brauchen im sich rasant entwickelnden Kind eine Instanz, die all diese Herausforderungen, Bedrohungen und neuen Realitäten einordnen, schützen, abspalten und unterdrücken kann. Das Ego wird geboren.
Nicht nur hilft es dabei für das Kind bedrohliche Situationen und Gefühle (z.B. Vernachlässigung, Missbrauch oder unsicheres Umfeld) zu unterdrücken und in sich abzuspalten um mit dieser Überwältigung überleben zu können, es lernt auch noch dazu und passt sich an. Wenn das Kind laut und wild ist, mag die Reaktionen der Eltern Bestrafung und „Liebesentzug“ sein. Das Kind hat also die Wahl mit dem Zorn und dem Entzug der so elementar wichtigen Liebe und Zuneigung der Eltern zu leben (was es nicht kann) oder sich den Erwartungen und Möglichkeiten seiner Umgebung anzupassen.
So nimmt das Ego in Zukunft z.B. diese wilden Energien und Gefühle in sich wahr, doch aus Angst vor dem Entzug oder der Bestrafung der Eltern, werden diese Wahrnehmungen unterdrückt, bis sie irgendwann im Erwachsenenalter vielleicht gar nicht mehr direkt spürbar sind.
Dieses Beispiel soll verdeutlichen, welche Rolle das Ego schon früh für uns übernommen hat und wie durch Anpassung und Abspaltung ein inneres Selbstbild entsteht, ob dysfunktional oder nicht, es gab in der Entwicklung des Kindes keine andere Wahl.
Dieser Mechanismus des Egos hört jedoch nicht nach der Kindheit auf sich zu entwickeln. Jede neue Erfahrung, jede Krisensituation, jede Beleidigung, jede Schmach, jede schamvolle Situation wird durch das Ego gefiltert und entweder vom begrenzten eigenen Selbstbild abgespalten und verdrängt oder es wird in das Geflecht der Selbstwahrnehmung integriert.
Ich habe mich, gerade in meinen Teenagerjahren sehr gehasst. Mich und mein Leben. Aus der Perspektive des Lebens war alles gegen mich, nichts hat funktioniert, wie ich das wollte und so sehr ich es mir auch gewünscht habe, ich habe nie meinen eigenen Ansprüchen und Erwartungen erfüllt. Selbst wenn das rückblickend alles nicht der Wahrheit entsprach, es war meine Realität und die hat sich extrem real angefühlt. Manchmal vielleicht zu real. Ich habe mich nicht wirklich gesehen, sondern nur das, was mich die Vergangenheit gelehrt und mein Ego verinnerlicht hat.
Generell kann man sagen, dass das Ego eine von zwei möglichen Wegen der Entwicklung und Ausprägung wählt. Das „besser als“ und das „schlechter als“ Ego. Ersteres fühlt sich seinen Mitmenschen im Vorteil und schaut oft mit Verachtung, Missmut und Ablehnung auf die breite Gesellschaft, aber auch auf Kollegen, Familienmitglieder und Freunde.
Letzteres fühlt sich seiner Umgebung immer ausgeliefert und unterlegen. Alle anderen haben es besser, verdienen mehr, sehen besser aus, haben mehr hier von und haben generell ein einfacheres und besseres Leben.
Keines dieser beiden Perspektiven ist die Wahrheit und keins der beiden ist besser als das andere. Es sind zwei Wege, die sich aus der gleichen Ausgangslage entwickeln. Das „besser als“ Ego fühlt ein Gefühl von Stärke, Kontrolle und Sicherheit, wenn es seine Umwelt unter sich stellt und seine eigene Brillanz immer wieder zeigt, wie viel besser es doch ist. Dieser Weg entstand aus früher kindlicher Hilflosigkeit, als Anpassung an Eltern mit hohen perfektionistischen Vorstellungen oder auch als Möglichkeit den eigenen Gefühlen von Wertlosigkeit einen starken Gegenpol zu bieten.
Andererseits hat das „schlechter als“ Ego eine Sicherheit und Kontrolle über sein Leben, in dem es sich als Opfer der eigenen Lebensumstände sieht. „Wenn ich mich selbst beleidige und fertig mache, können die Worte anderer mich nicht mehr verletzten“. So oder so ähnlich entwickelt sich ein Selbstbild und Egomuster welches auf die Schwierigkeiten des Heranwachsens reagiert.
Beim Lesen dieser Beschreibung wird dir vielleicht schon eine Erkenntnis darüber kommen, wie sich dein Ego entwickelt hat. Auch wenn wir alle eine Ausprägung in die eine oder andere Richtung haben, haben wir dennoch stets auch Anteile der jeweils anderen Seite in uns.
Dieser Ausflug in die Kindheit zeigt hoffentlich, dass a) das Ego eine wertvolle und noble Aufgabe hatte (Betonung liegt auf hatte) und dass b) alles nur eine Frage der Perspektive ist. Selbsterkenntnis ist ja genau das, sich aus neuen, ungewohnten Blickwinkeln zu betrachten.
Das spirituelle Ego
Das Ego gibt uns also ein Gefühl von Selbst, von Ich, definiert durch Gedanken, Erlebnisse und Glaubenssätze. Es ist der Filter durch den das wahre Selbst die Welt erlebt. Doch es gibt neben dem Ego, was jeder von uns als sein Selbstbild hat auch noch ein spirituelles Ego.
Das spirituelle Ego funktioniert in seiner Weise ganz ähnlich wie das „normale“ Ego. Es nimmt Lehren, Weisheiten und Techniken auf und benutzt diese für seine eigenen Zwecke um den in sich geschlossenen Kreislauf weiter am Laufen zu halten.
Was das Ego unter gar keinen Umständen will, ist aus seiner Rolle genommen zu werden. Da wir als spirituell suchende eigentlich wissen, dass wir das Ego in seiner unbewussten Form nicht mehr zum Überleben brauchen, muss es sich Tricks einfallen lassen, um weiter relevant und in Kontrolle zu bleiben.
Ein Weg ist, immer neue Dinge an sich zu finden, die geheilt, transformiert und generell aufgelöst werden sollen. So geht das Ego sicher, dass es immer in seiner Position bleiben kann. „Wir“ nehmen Lehren und Techniken um vor uns selbst zu fliehen, Selbstkritik weiter zu legitimieren und uns in unserer vertrauten Rolle weiterzubewegen.
Das Leben stößt uns immer wieder in neue Richtungen, um genau aus diesem Kreislauf auszubrechen. Manchmal braucht es auch einen größeren Schubser. Aus diesem Grund ist es so wichtig offenzubleiben und nie zu sehr an einer Weltanschauung o.ä. festzuhalten, es kann uns am Ende davon abhalten, die nächste Stufe zu erreichen.
Wie löst man das Ego auf?
Da wir nicht mehr Kind sind und nicht mehr hilflos auf unsere Umwelt reagieren müssen, hat das Ego seine Aufgabe doch eigentlich erfüllt, oder nicht? Das Ego wurde für uns alle zur Maske, zur Selbstverständlichkeit zum Gefühl von „Selbst“. Genau das macht es ja so schwer zu vermitteln. Erst wenn die Maske zur Seite genommen wird und (vielleicht zum ersten Mal) das Leben wahrhaftig gesehen wird, kann erkannt werden, was man schon seit Jahrzehnten als Schutz vor sich trägt und was unsere Wahrnehmung schon so lange verzerrt hat.
Es schützt uns noch immer davor, nicht zu tief in die damals abgespaltenen und verdrängten Erlebnisse, Gefühle und unerfüllten Bedürfnisse zu schauen. Das ist seine Aufgabe als „Schattenwächter“. Wir halten an Suchtverhalten fest, werden selbstzerstörerisch oder handeln in gesetzeswidrigen Verhalten.
Solange das Ego keinen Ersatz findet, etwas was ihn von seiner Aufgabe befreit, wird es sein Bestes tun, dass die Maske weiterhin fest an unseren Kopf geschnallt bleibt. Der Weg der Selbsterkenntnis ist genau dieser Weg. Vom Ego, dem begrenzten Selbst hin zum wahren Selbst. Auf diesem Weg lernen wir uns selbst auf tiefster Ebene kennen, schauen in den Schatten, den das Ego lange vor uns geheim gehalten hat und durch innere Heilung und Transformation wird die Schnalle unserer Maske immer lockerer. Mehr und mehr Licht strahlt von außen hindurch, wir erleben Momente der Klarheit und nach und nach bilden sich neue Wege mit dem inneren Leid umzugehen, um neue Wege des Seins zu erforschen.
Wenn wir in die Welt schauen kann man das Ego für alles negative heranziehen, ob Rassismus, Krieg, Armut oder Hass. Ja, all diese Dinge existieren, weil wir uns getrennt von unserem Nebenmann sehen. Nur so kann ich ihn abwerten, leiden sehen oder sogar umbringen. Umso mehr die eigene Wahrheit erkannt wird (alles ist miteinander in Verbindung), desto mehr Respekt, Toleranz, Wertschätzung, Mitgefühl und Zuwendung kann entstehen. Das ist der Weg der modernen Spiritualität.
Mit Dankbarkeit, Respekt und Wertschätzung dem Ego entgegentreten für all die Dinge, die es uns gegeben hat. Wir wären nicht wo wir sind, ohne das Ego, die meisten von uns hätten die Kindheit nicht ohne das Entstehen des Egos überlebt und dennoch wartet nun für viele von uns ein neuer Schritt. In dem durch den Weg der Selbsterkenntnis neue Realitäten erkannt, alte Wunden geheilt und neue Stärke frei wurde, wird das Ego eingeladen, sich in diese neue Realität zu begeben, den Kampf aufzugeben und Teil der Einheit zu werden. Das ist die Zeit einer neuen Realität, wo wir dem Ego dankend und respektvoll entgegentreten und die Maske langsam von unserer Wahrnehmung wegnehmen und das Licht unserer Unendlichkeit scheinen kann.
Wenn du noch mehr zu dem Thema Ego erfahren willst, empfehle ich dir die Bücher von Eckhart Tolle und durch Meditation zu einer Erkenntnis über das Ego zukommen, damit auch dein Leben bewusster und heiler wird.
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