Als Menschen sind wir soziale Wesen. Wir brauchen den Kontakt mit anderen Menschen und so sind romantische Beziehungen ein elementarer Teil unseres Lebens. Nach dem ein oder anderen Herzschmerz ist es für viele von uns eine Frage nach Kosten-Nutzen. Zuviel Enttäuschung, Verrat und Rückweisung hat eine Mauer um unser strahlendes und verletzliches Herz gebaut, was weitere Nähe und Intimität erschwert.
Andere von uns haben scheinbar glückliche und feste Partnerschaften, doch auch hier gibt es Herausforderungen. Wie kann man weiter in Nähe und Intimität zusammenwachsen ohne sich von der Routine des alltäglichen Lebens zu sehr einnehmen zulassen?
Was auch immer deine Situation gerade ist, ob Single, gerade frisch verliebt oder schon jahrelang glücklich verheiratet. Zu verstehen, welche Dynamiken sich in Beziehungen zeigen, warum Streits und Konflikte entstehen und was der Schlüssel zu einer wahrhaft erfüllenden Beziehung ist, wollen wir im folgenden einmal erforschen.
Dein Partner ist ein Spiegel für all das Unbewusste und die unintegrierten Anteile in dir. Das macht eine Liebesbeziehung so transformativ und magisch, kann aber gleichzeitig auch zerstörend und verletzend erscheinen.
Was Liebe, Nähe und Bindung sind, hat jeder von uns in den ersten Lebensjahren erfahren und gelernt. Das ist, was später für uns vertraut ist und was zu unserer unbewussten Schablone für spätere Beziehungen wird.
Da diese frühkindlichen Prägungen nicht immer positiv waren lagern sich diese im Unterbewusstsein bzw. im Nervensystem ab. Dort verankert sind dann unerfüllte Bedürfnisse, Verhaltensmuster und Dynamiken, die sich als Folge dieser frühen Zeit in unserem Leben entwickelt haben.
Wir fühlen uns dann von den Menschen angezogen, die diese Prägung und kindliche Erwartung an Bindung und Liebe in uns wach rufen und ähnliche, bzw. gegensätzliche Prägungen erlebt haben. Somit sind sie (ganz unromantisch) ein Nachhall unserer Kindheit und dem Wunsch unerfüllte Bedürfnisse in Kontakt zu bringen und das zu heilen, was früher aus einer bedrohlichen Überforderung heraus verdrängt werden musste.
Im miteinander kann es dann passieren, das ein Satz, Mimik oder gar die Abwesenheit oder momentane Verschlossenheit des Partners in uns etwas Starkes auslöst, wir werden „getriggert“. Das passiert oft nicht bewusst und oft außerhalb unseres bewussten Erlebens. Was ausgelöst wird, kann ein altes Gefühl sein, was sich nie ausdrücken konnte und in einer ähnlichen Situation damals entstand. Es kann ein Austausch oder die Art und Weise miteinander zu reden sein, dass etwas tief in uns schlummerndes erwacht und sich wie eine leise Bedrohung anschleicht. Oder auch ganz plötzlich unser ganzes Wesen einnehmen und wir sehen nur noch „rot“.
Aus dieser Ausgangslage gibt es generell zwei Handlungsmöglichkeiten.
1.) Die uns vertrauteste ist die „Reinszenierung“, das bedeutet wir agieren die ausgelösten Gefühle aus, gehen in Verteidigungs- oder Angriffsmodus und sind nicht mehr ganz „wir selbst“. Starke Wut oder Trauer kann auftauchen und unser Erleben und handeln beeinflussen, was wiederum beim Partner etwas auslöst, was für uns etwas Vertrautes und Bekanntes ist, egal wie schmerzhaft und isolierend es sich anfühlt.
2.) Durch einen Augenblick der Bewusstheit erkennen, dass man gerade getriggert wurde, das gerade Etwas „altes“ geweckt wurde, was sich gerade zeigt. Es kann in vollster Deutlichkeit in unserem Körper wüten und wahrzunehmen sein. Doch mit einem Augenblick der Klarheit kann erkannt werden, was da gerade passiert und es agiert sich nicht wieder und wieder aus. Es kann offen und urteilsfrei in Kontakt mit dem Partner gebracht werden. Es kann das eigene Erleben in Gefühl, Gedanken und Wahrnehmungen geteilt werden und so ein neuer „Schaltkreis“ entstehen.
Der erste Weg ist uns allen vertraut und schafft eigentlich in den meisten Fällen weiteres Leid, weil das bestehende, alte Leid nicht aufgelöst werden kann und ggf. noch weitere Schichten dazukommen. Es ist die automatische Reaktion des Nervensystems und braucht Klarheit und MdA um nicht immer wieder in destruktive und dysfunktionale Handlungskreisläufe abzurutschen.
Der zweite Weg ist neu, setzt Bewusstheit voraus und bringt uns in Kontakt mit ganz vielen Ängsten, Panik und geht gegen die Natur unserer Selbstschutzmechanismen, die uns ja eigentlich genau davor beschützen wollen (das jetzt, da wir nicht mehr Kind sind aber eigentlich gar nicht brauchen). Sich verletzlich zeigen, zu tiefen Gefühlen zu stehen und diese zeigen zu können, schwierige Gedanken und inneres erleben zu teilen ist nicht leicht. Doch genau hier drin liegt ein wichtiger Schlüssel der Selbsterkenntnis. Alte Wunden können heilen, alte und begrenzenden Muster und Dynamiken können sich auflösen und es können immer tiefere Ebenen der Nähe, Intimität und Liebe erwachen.
Wenn wir schon ein gutes Verständnis von unserer Geschichte und Prägung haben, hilft das enorm, diese Mechanismen und die eigenen „Triggerpunkte“ besser zu verstehen und sie somit nicht auf automatischer Dauerschleife agieren zu lassen.
Haben wir hierzu einen Partner dem wir vertrauen und mit dem wir uns sicher genug fühlen, auch die tiefsten Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen und Ängste mitzuteilen, ergibt sich eine neue Tiefe in der Beziehung, die nicht nur das eigene Leben transformiert, sondern vor allem den gemeinsamen Raum mit Wärme und Liebe erfüllt.
Alleine das urteils- und erwartungsfreie mitteilen des momentane empfinden kann enorm heilsam und transformativ sein. Dafür braucht es oft gar keine verbale Rückmeldung, Augenkontakt und eine offene nonverbale Haltung des gegenüber wirken hier Wunder.
Je mehr die Themen, Inneres Kind, Entwicklungstrauma und Schattenarbeit verstanden, erlebt und vor allem gelebt werden, desto mehr Möglichkeit hat die gemeinsame Beziehung an Tiefe, Nähe und Liebe zu wachsen.
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