Selbstwert, Berufung und Authentisch leben

Authentizität ist heut zutage ein großes „Buzzword“, doch was bedeutet es wirklich und welche Rolle spielt der Weg der Selbsterkenntnis dabei? Kann man denn auch nicht „man selbst sein“?

Um im Einklang mit dem wahren Selbst zu sein und die eigene Wahrheit zu leben, braucht es das innere erleben und Wissen von den verschiedenen Ebenen und Aspekten die das Selbst ausmachen. Erst wenn man weiß, wer man war, wie man sich entwickelt hat und wie sich dies im heutigen Erleben ausdrückt, kann man seine Wahrheit auch leben und mit der Welt teilen.

Um diese Dynamik besser anschaulich zu machen, können wir uns ein paar Bereiche des Lebens anschauen und wie sich dort gesunder Selbstwert und damit authentischer Selbstausdruck zeigen können.

Beruf

Nach der Schule stellt sich für jeden von uns die Frage, was ist meine Rolle im Leben? Wo sehe ich mich beruflich? Was ist meine Aufgabe und Berufung in diesem Leben?

Natürlich sind diese Fragen in vielen weiteren Lebensabschnitten später ebenfalls wichtig zur Kontemplation, sie setzten sich eindringlich mit den tiefsten Fragen und Suche im Leben auseinander. Unsere Berufswahl ist von vielen Faktoren bestimmt: Welcher Beruf ist gesellschaftlich gut angesehen? Was erwarten meine Eltern und Verwandten vielleicht von mir? Wähle ich für mich ein Studium oder eine Ausbildung, die mich zwar erfüllt, aber vielleicht nur einen geringen Verdienst mit sich bringt?

Somit ist die Frage nach dem Beruf von vielen äußeren Einflüssen geprägt und dabei wird oft übergangen, was man den selber auf tiefster Ebene wirklich will. Wenn unser Vater z.B. Als Arzt gearbeitet und sein Vater auch, spüren wir vielleicht eine (unausgesprochene) Verantwortung, ebenfalls in dieses Berufsfeld einzusteigen. Vielleicht ist es uns auch wichtig viel Geld zu haben und mit den damit einhegenden Statussymbolen einen gesellschaftlich erfolgreichen Stand zu präsentieren. Die Arbeit macht dann vielleicht gar keinen Spaß, geht gegen die eigenen moralischen Vorstellungen oder ist so Zeit einnehmend, dass sie keinen Raum für private Erfüllung und Ausgeglichenheit bietet. 

Unsere Arbeit, unsere Berufung ist somit immer ein Spiegel innerer Konflikte oder Abbild verschiedener innere Strebungen, die uns zu dieser Wahl geführt haben. Auf dem Weg der Selbsterkenntnis werden dann vielleicht ganz neue Interessen, Leidenschaften und Wunschvorstellungen in der Lebensgestaltung wach, die konträr zu vorherigen Vorstellungen und Werten geht. Als Arzt fühlt man sich dann vielleicht oft ausgelaugt, hat viel Stress und steht jeden morgen mit einem inneren Zwiespalt auf, nicht sicher, ob diese Arbeit wirklich das richtige ist. 

Wenn man sich dann die Zeit nimmt, nach innen zu schauen, die eigene Biografie zu verstehen, das innere Kind in sich zu entdecken und zu heilen und das Ego in sich als steuernde Instanz erlebt, wird klar erkennbar, dass der Berufsweg nicht den eigenen Erwartungen und Wünschen entspricht, sondern dass man sich an den Erwartungen anderer angepasst hat. Oder aber nur um Anerkennung und Wohlstand von anderen (Eltern, Freunden, der Gesellschaft als ganzes) zu erhalten, jedoch die eigentlichen Interessen wo ganz anders liegen. 

Nun stellt sich die Frage „Kann ich nach meinen Vorstellungen und Wünschen leben? Egal was andere dazu sagen, ob das Erfolg und Sicherheit verspricht, oder nicht? Lebe ich meine Wahrheit und habe den gesunden Selbstwert dahinter, der mich mit Zuversicht auf diesen neuen Weg gehen lässt?

Die Selbsterkenntnis hilft hier also nicht nur sein eigenes Handeln und denken zu verstehen und zu ergründen, sondern gibt einem auch das Handwerk und die innere Stärke mit auf den Weg, wahrhaftig authentisch zu leben und seine wahres Selbst mit der Welt zu teilen. Es ist kein einfacher Weg (das kann ich aus eigener Erfahrung sagen), doch da wir nur dieses eine Leben haben, sollte man das meiste draus machen und persönliche Erfüllung als höchste Priorität ansehen. Was man dabei nämlich ebenfalls entdeckt, ist das neue berufliche Wünsche auch einen höheren Zweck dienen und anderen Menschen helfen und einen Dienst an der Menschheit mit sich bringt. Wenn unser Handeln nicht durch die Identifikation mit unserem Ego gesteuert ist, sondern selbstreflektiert, bewusst und offen, manifestiert sich ein Weg, der nicht selbstbezogene Erfüllung sucht, sondern Zufriedenheit und Freude für alle. 

Beziehung 

In Beziehungen, ob romantisch oder freundschaftlich/familiär zeigt sich diese Dynamik am direktesten. Gerade in der Familie haben sich Verhaltensweisen, Umgangsformen und Rollen über die Jahre eingespielt und solange diese unbewusst laufen, da sie durch nach innen schauen und lernen nicht reflektiert wurden, agieren sich diese weiter unbewusst aus. Oft zum Nachteil für einen Selbst, weswegen der Kontakt mit der Familie irgendwann auch auf das nötigste reduziert wird.

Wie im Geheimnis erfüllter Beziehung schon besprochen, sind diese Muster fast die gleichen, die sich auch in der romantischen Partnerschaft zeigen und an die (oft unbewusste) Oberfläche steigen. Wenn wir also eine auf Offenheit, Verletzlichkeit und wahrer Liebe und Zuneigung aufgebauten Beziehungen führen wollen, ist das erkennen, transformieren und heilen der eigenen Geschichte ein essenzieller Teil, um nicht die Vergangenheit immer wieder ins Jetzt zu holen und so altes Leid weiter aufrecht zu halten. 

Auch in Freundschaften können diese Dynamiken auf die ein oder andere Art an die Oberfläche steigen. Wir opfern uns selbst vielleicht immer für unsere Freunde auf, sind immer für sie da und verlieren uns und unsere Bedürfnisse dabei aus den Augen. Vielleicht thematisieren wir kritische Themen gar nicht erst, aus Angst vor Zurückweisung oder alleine zurückzubleiben und leben dann in einer ständigen Unzufriedenheit miteinander. 

In all diesen Beziehungen können wir nur dann wirklich „echt“ sein, wenn wir erlebt haben und auf allen inneren Ebenen verstanden haben, wer wir sind, warum wir sind und was uns unbewusst beeinflusst und lenkt. Alles, was wir tun, erfüllt immer einen nutzen und ist auf eine (für außenstehende oft nicht erkennbar) Weise ein altes Muster, was uns früher schon gedient hat (das heute aber nicht unbedingt tut). 

Ehrlich mit den wichtigsten Menschen im eigenen Leben zu sein, setzt auch Ehrlichkeit mit sich selbst voraus. Wir können meist sehr ehrlich sein, wenn es um die positiven, angenehmen Seite unseres Selbst geht. Wenn es dann um unseren Schatten, unser leidvolles Unterbewusstsein geht, sind wir oft zu blockiert, um uns hier ehrlich und bewusst zu begegnen. So kann auch nur immer eine halbe Wahrheit gelebt und geteilt werden. Die Bereitschaft sich vollkommen ehrlich und unvoreingenommen zu begegnen, egal was einem auf dem Weg in die tiefsten inneren Ebenen begegnet, schafft wahren Selbstwert und einen authentischen Selbstausdruck. 

Hobbys

Was du tust, wenn du nicht arbeiten oder dich um die Familie kümmern musst, ist ebenfalls ein wichtiger Faktor um zuschauen, wie ehrlich und aufrecht wir leben. Jeder von uns ist kreativ, jeder von uns hat Talente und Begabungen. Es geht nicht darum ein Meister oder Vollprofi in diesem Feld zu werden, sondern die natürlichen und angeborenen Energien des Selbst auszudrücken und in unserem Leben zu manifestieren. Für keinen anderen Zweck als eigene Freude und Vollkommenheit. 

Du wirst auch hier vielleicht feststellen, dass viele Hobbys und Interessen über die Jahre abgefallen sind, die Lockerheit und innere Entspanntheit fehlt, sich diesen Dingen zu widmen. Es kann aber auch sein, dass wir gar nicht wissen, was uns Spaß macht, was uns kreativ erfüllt und wie wir diesen Dingen einen Raum geben können.

Oft sind Ängste, Zweifel und innere Kritik hier die größten Blockaden und eine gute Einladung nach innen zu schauen und an die Wurzel, dessen zu gelangen, was unsere Selbstentfaltung blockiert hat. Es tauchen oft interessante Erkenntnisse darüber auf, welche Dinge man vielleicht als Kind schon gerne gemacht hat, aber dann negative Rückmeldung oder Erlebnisse hatte, die einen von der Weiterentwicklung dessen abgehalten haben. 

Ich habe z.B. Früher schon immer gerne gezeichnet, habe aber aus meinen Selbstzweifeln heraus aufgehört, auch weil niemand im außen da war, der diese Leidenschaft weiter gefördert und gestärkt hat (in meinem damaligen erleben). In meinem Prozess der inneren Kind Arbeit habe ich dann wieder angefangen mir gute Stifte und Farben zu kaufen und konnte diesem stillgelegten Interesse und Teil meines Selbst wieder einen Raum geben. Es ist ein untrennbarer Teil von mir.

Natürlich gibt es noch viele andere wichtige Bereiche, in denen Selbstreflexion und gesunder Selbstwert eine Rolle spielen, um wahrhaft vom Herzen authentisch zu leben. Diese Entwicklung findet auch nicht isoliert in einem dieser Bereiche statt, sondern durchdringt alle diese Ebenen und geht an den Kern des „wahren Selbst“. Es braucht Mut, Vertrauen und Offenheit um diesen Weg bis in die höchsten Höhen und tiefsten Tiefen zu gehen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es gibt nichts erfüllenderes, als ein lebender Ausdruck der eigenen Wahrheit zu sein. Alles fließt, ist friedvoller und leichter und eine „Grundfreude“ und Dankbarkeit findet Einzug in die eigene Realität. Natürlich bleiben Krisen und Schicksalsschläge nicht aus, doch man weiß, dass man die Stärke, die Resilienz dafür hat, aus jeder Situation noch stärker und noch liebevoller hervorzutreten. 

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